Rückblick: Pressekonferenz „Mehr Inklusion für alle“

Am 17. Juli 2025 stellten wir im Rahmen einer öffentlichen Pressekonferenz unser neues Projekt „Mehr Inklusion für alle“ vor (gefördert von Aktion Mensch).

Ziel war es, Veranstaltende aus Kultur und Sport für inklusive Kommunikation und transparente Barriereinformationen zu sensibilisieren und sie dazu zu ermutigen, unseren barrierefreien Kultur- und Sportkalender barrierefrei.berlin zu nutzen. Die Plattform macht Barrieren von Veranstaltungsorten sichtbar und ermöglicht so Kulturinteressierten mit Behinderung selbstbestimmte Teilhabe.

Während der Pressekonferenz erhielten die Teilnehmenden einen kompakten Einblick in das Projekt, die Funktionsweise des Kalenders und konkrete Möglichkeiten, wie Veranstalterinnen zur inklusiven Sichtbarkeit in Berlin beitragen können. Ergänzt wurde das Programm durch Perspektiven von Diversity-Expertinnen und Projektpartner*innen, die die gesellschaftliche Bedeutung des Vorhabens unterstrichen.

Die Pressemappe mit weiteren Informationen zur Veranstaltungen können Sie hier herunterladen: Pressemappe „Mehr Inklusion für alle“ 17.07.2025

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier: https://kulturleben-berlin.de/projekt-mehr-inklusion-fuer-alle/


Beitrag unseres Kollegen und Diversitätsexperten Patrick Bozkurt:

Sehr geehrte Alle zusammen, liebe Kolleg*innen, liebe Interessierte,

mein Name ist Patrick Bozkurt und ich stehe heute hier in dreifacher Rolle. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter von KulturLeben Berlin, als Prüfer von Kulturveranstaltungsorten auf ihre Barrierefreiheit und vor allem als Mensch, der täglich erlebt, wie viel Mut es braucht, in dieser Stadt einfach dabeizusein.

Seit nun mehr drei Jahren vermittle ich Kultur und Sportkarten an Menschen mit geringen Einkommen. Gleichzeitig teste ich Orte auf ihre Zugänglichkeit – nicht mit Messgeräten, sondern mit meinem Rollstuhl und den Augen aller, die oft übersehen werden. Als Rollstuhlfahrer besuche ich regelmäßig Konzerte, Theater oder Sportveranstaltungen. Dabei erlebe ich hautnah, was es bedeutet, wenn Barrieren den Zugang erschweren – aber auch, wie viel möglich wird, wenn Inklusion aktiv gelebt wird.

Ich bin nicht nur als Vertreter des Vereins Kulturleben, sondern auch als jemand, der selbst erfährt, was es bedeutet , in einer Welt voller Barrieren zu leben. Als Rollstuhlfahrer, der täglich mit den Folgen eines Unfalls und den Hürden des Alltags kämpft, weiß ich: Zugänglichkeit ist kein Luxus – sie ist ein Menschenrecht. Unser neues Projekt, der Kalender für barrierefreie Veranstaltungen ist ein Schritt in eine inklusivere Zukunft.

Warum mir dieses Projekt am Herzen liegt? Weil kulturelle Teilhabe ein Grundrecht ist. Und weil Barrierefreiheit keine Checkliste ist, die man abhaken kann. Sie ist ein Prozess, der Offenheit, Dialog und den Mut zum besser werden braucht. Doch lassen Sie mich eins klarstellen: Es geht hier nicht um Perfektion. Es geht um Transparenz. Um den Mut, zuzugeben wo wir stehen – und den Willen, besser zu werden. Mit dem Kalender „barrierefrei.berlin“ schaffen wir eine Plattform, die nicht nur Räume öffnet, sondern auch Denkweisen. Es geht nicht darum Barrierefreiheit voraus zusetzen, sondern darum, ehrliche Informationen zu bieten, damit Menschen selbst entscheiden können, ob ein Besuch für sie machbar ist. Unser Ziel ist es Veranstalter zu ermutigen, ihre Angebote selbst einzutragen – egal ob sie bereits rollstuhlgerechte Zugänge haben, Informationen zur psychischen Barrierearmut bieten oder nur erste Schritte Richtung Inklusion gehen.

Warum dieser Kalender? Weil Menschen mit Behinderungen oft im voraus planen müssen. Kann ich den Eingang nutzen? Gibt es eine barrierefreie Toilette? Wie lange dauert die Veranstaltung um Fahrdienste zu buchen. Fehlen diese Infos, bleiben viele lieber zu Hause.

Der Kalender ist: Für Rollstuhlfahrende, die nicht erst am Eingang feststellen wollen, ob es Stufen oder Aufzüge gibt. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen, die Räume brauchen, die nicht überfordern, sondern empowern. Für Alle, die sich sehnen, teilzuhaben – ohne Voranmeldung, ohne Diskussion, ohne das Gefühl, eine Last zu sein. Unser Kalender gibt ehrliche Antworten und schafft so Vertrauen.

Was dieser Kalender nicht ist? Kein Siegel der Vollkommenheit. Niemand erwartet 100 % Barrierefreiheit. Das wäre unehrlich. Was wir zeigen, ist der aktuelle Stand – mit Rampen, die vielleicht zu steil sind, mit Toiletten, die eng aber nutzbar sind, mit Veranstaltungen, die noch lernen, leise Ecken für überreizte Sinne zu schaffen.

Kein Pranger: Wir listen keine Versager auf, sondern Pioniere, die den ersten Schritt wagen. Veranstalter, die heute noch nicht alles umsetzen können, sind trotzdem herzlich eingeladen, sich einzutragen. Denn jede transparente Angabe ist ein Schritt hin zu mehr Inklusion.

Meine persönliche Bitte an Sie als Veranstalter*innen: Tragen Sie sich ein – selbst wenn Ihr Raum noch nicht perfekt ist. Vielleicht fehlt der taktile Leitstreifen für Blinde, oder die Induktionsschleife für Hörgeschädigte ist noch in Planung. Zeigen Sie, was Sie heute schon können. Denn jede kleine Angabe hilft: Wo ist die barrierefreie Toilette? Gibt es Sitzplätze für Menschen, die nicht lange stehen können? Wie lange dauert die Veranstaltung (für die Bereitstellung von Fahrdiensten)?

Warum Ihr Engagement zählt: Vor einigen Jahren lag ich nach meinem Unfall im Krankenhaus und dachte, mein Leben sei vorbei. Dann schenkte mir jemand eine Freikarte für ein inklusives Theaterstück. Die Rampe war wackelig, die Behindertentoilette war im Keller – aber ich war dabei. Und dieses Dabei-Sein rettete mir damals die Seele. Auch Sie können solche Momente schaffen.

Wie geht es weiter? Der Kalender lebt vom Mitmachen. Je mehr sich eintragen, desto stärker wird das Netz der Zugänglichkeit. Ich hatte schon mehrfach das Vergnügen, die Philharmonie und auch den Kammermusiksaal zu besuchen, trotz Denkmalschutz nenne ich das Barrierefreiheit mit Herz, aber auch mit klarem Nachholbedarf! Ich fühlte mich in beiden Häusern durch eine offene Willkommenskultur gut durch den Abend begleitet. Es erfolgte eine persönliche Begleitung zum Fahrstuhl durch geschultes Personal, bis hin zur Platzierung, die optimale Rollstuhlplätze mit guter Sicht auf die Bühne und inklusive Sitzplatz für eine entsprechende Begleitperson bietet. Die Barrierefreien Toiletten sind sauber, großzügig und gut erreichbar. Auch ist an ein Notfallsystem gedacht, was ich an den Tragen an den Wänden für eine mögliche Evakuierung gesehen habe. Hier ist Barrierefreiheit gelebte Praxis, doch ohne Vorab – Infos bleibt sie ein Glück spiel. Deshalb meine Bitte auch an Sie Tragen auch Sie ihre Daten ein, damit Menschen wie ich nicht mit Angst planen, sondern mit Vorfreude: Heute Abend wird Beethoven gespielt – und ich bin sicher dabei! Nutzen Sie den Barrierefreien Kalender um Ihr Engagement sichtbar zu machen.

Ein Appell an alle: Gemeinsam wachsen Es geht darum zuzuhören, dazuzulernen und vor allem: miteinander ins Gespräch zu kommen. Deshalb laden wir Sie alle ein: Nutzen Sie den Kalender nicht nur als Werkzeug, sondern als Startpunkt für Kooperation. Besuchen Sie unsere Workshops, tauschen Sie sich mit Betroffenen aus und lassen Sie uns gemeinsam Räume schaffen, die nicht nur angepasst sondern mitgedacht sind. Denn Inklusion gelingt nur, wenn wir sie als Gemeinschaftsaufgabe begreifen. Mit diesem Kalender schaffen wir keine perfekte Welt, aber eine, in der wir zusammen hinsehen, hinhören und handeln. Jeder Eintrag im Kalender, jedes offene Gespräch, jede kleine Verbesserung, all das trägt dazu bei, das Berlin ein Stück zugänglicher wird.

Zum Schluss: Barrierefreiheit ist wie ein Tanz, manchmal stolpert man, aber man hört nicht auf sich zu bewegen. Dieser Kalender ist unsere Einladung an Sie: Tanzen Sie mit. Nicht perfekt, aber leidenschaftlich. Nicht fehlerfrei, aber voller Hoffnung.

Vielen Dank – und denken Sie daran: Jede Rampe beginnt mit einem Stein.

Patrick Bozkurt

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